März 2013
Bild gemalt von Gundula Kerekes
Die Linien kamen allein mit dem Saft aus einer Holunderbeere, braune Erde schloß sich zu einem Kreis, Gras gab unten eine Wiese und Nachtkerzenblüten füllten leuchtend Gelb die Lücken – ein Bild, wie es kein Farbkasten bringt.
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Ein Spaziergang durch einen vielfältigen, naturnahen Garten hat immer etwas Entspannendes. Tiere locken zum Beobachten, die vielfältigen Farben und Formen der Kräuter und Gräser, der Büsche und Sträucher lassen bunte Gedanken aufkommen. Und manches Mal verweben sich Farben und Formen zu inneren Bildern. Warum nicht diese Bilder festhalten – mit den Farben, die solch ein Garten bereitstellt, experimentieren, sie beinahe spielerisch auf dem Papier zu Bildern zusammenwachsen lassen? Denn ein vielfältiger Garten birgt das ganze Jahr die verschiedensten Farbkombinationen…
Das einfachste ist das direkte Aufbringen sichtbarer Farben des Gartens auf einem weißen Papier. Dazu werden Blüten, Blätter, Halme, Beeren oder auch Früchte auf dem Papier zerrieben, über das Papier gezogen. Unbewusst schleicht sich dabei nach den ersten Erfolgen der Experimentiergeist ein. Nachdem das Gras grüne Striche und Flecken hinterlassen hat und die Löwenzahnblüte eine gelbe Sonne auf das Papier gezaubert hat, beginnt das Auge suchend umher zu schweifen. Was gibt wohl diese kleine Vergißmeinichtblüte – ob sie einen blauen Himmel auf das Papier bringt? Oder hier das Veilchen – welche Spur wird seine Blüte auf dem Blatt hinterlassen? Die winzige Ehrenpreisblüte mit ihrem Blau – was schafft sie?
Das zuvor weiße Papier füllt sich langsam auf dem Spaziergang durch den Garten. Vielleicht sammeln sich einfach wilde bunte Linien, eventuell aber auch farbige, über das Papier verteilte Flecken oder es entsteht etwas Gegenständliches. Zum Ende des Spaziergangs hält man ein Bild in der Hand – ein meist vergängliches Kunstwerk, denn manche der Farben verblassen, sind vergänglich, wie ihr Ursprung. Aber es hält lang genug, um zum Beispiel in einem gleich versendeten Brief aktuelle Gartengrüße an gute Freunde zu verschicken. Dazu vielleicht noch ein kleines Gedicht über die vielfältige Schönheit der Natur, ein paar nette Worte oder auch eine Einladung zu einer gemeinsamen Malaktion auf der Suche nach neuen Farben und Bildern aus dem Garten. Denn jeder Tag bringt neue Blüten, Halme und Farben, andere Gefühle und Gedanken und somit einmalige Bilder…
Spannend ist es, zu beobachten, welche Vielfalt Kinder aus dem Farbangebot der Natur holen – sie experimentieren, haben alle verschiedene Formen und Bilder im Kopf, sind kaum mehr zu bremsen. Freude kommt auf, wenn z.B. Karten gestaltet werden bei einer Gruppenaktion, die anschließend als Überraschung den Eltern oder Großeltern geschickt werden. Und wie großzügig dürfen sie mit den Farben sein – Grasgrün gibt es auf der Wiese endlos, Gelb zur Löwenzahnblüte im Überfluss, und das Braun aus der feuchten Erde ist auch grenzenlos vorhanden – lediglich die Karten gehen irgendwann mal aus… aber dann kann ja noch an einem gemeinsamen großen Bild gemalt werden.
Irgendwann dann schwinden die vielen Farben – der Winter kommt und deckt alles weiß zu. Aber jetzt wird es wieder spannend, denn wer im Sommer Blüten-, Wurzel- und Rindenvorräte gesammelt und getrocknet hat, kann weiter experimentieren. Da wird eingeweicht und gekocht, mit Alaun oder anderen Substanzen gemischt und experimentiert. Plötzlich kommen ganz andere Farben zum Vorschein als gedacht – Apfelbaumrinde ebenso wie Berberitzenzweige z.B. bringen leuchtendes Gelb. Einmal in der Küche wandert der Blick neugierig umher, was gibt es hier für Pflanzen? Da, die rote Beete – sie gibt ein leuchtendes Rot. Mit ihr kann sogar direkt auf Papier gestempelt werden. Und der Rotkohl ist gar das reinste Farbwunder – in ihm stecken rot, blau, lila… Jede Köchin macht diesen Zauber mit, wenn sie ihn erst lila aufkocht, dann mit einem Schuss Essig erröten lässt und schließlich beim Abwasch durch die Waschlauge blau durch den Abfluss schickt. Aber halt, wir heben die Farben auf und können nun mit dem Pinsel bunte Bilder malen – wieder sind die Kinder begeistert dabei.
So vieles lässt sich mit den Farben der Natur noch machen: „Montags blau machen“ kommt noch aus der Zeit, als die Stoffe mit Indigo blau gefärbt wurden und die mit Zwiebelschalen braun gefärbten Ostereier kennen gewiss noch viele. Nicht zu vergessen, dass vor der Zeit der Chemiefarben alles bunte, vom Gemälde, über bunte Stickereien und schöne Stoffe bis hin zu bunten Wänden und Möbeln alles aus Naturfarben kam… es lohnt sich also, die Natur, den Naturgarten mal mit anderen Augen zu sehen! Wer weiß, vielleicht wird das nächste T-Shirt ja mit aufbereiteten Pflanzenfarben aus dem eigenen Garten bunt gefärbt.
Gundula Kerekes
Info:
Dieser Artikel ist im NATURSPIEGEL 2-2013 im März 2013 erschienen.