Die kulturhistorisch bedeutsame Mommbach-Niederung mit landesweiter Bedeutung ist durch den geplanten untertägigen Steinkohleabbau bedroht.
Die gefährdete “Momm-Niederung” mit ihrer bis heute intakten historischen Kulturlandschaft ist aus der Sicht des Naturschutzes unbedingt im derzeitigen
-in NRW einmaligen- Charakter zu erhalten. Wegen der Bedeutung als Überwin-terungsgebiet für die Arktischen Saat- und Bläßgänse besitzt das NSG darüber hinaus europaweite Bedeutung.
Hier stehen Landwirtschaft, Naturschutz und Landschaftspflege gemeinsam bei der Erhaltung und nachhaltigen Sicherung eines lebendigen Zeugnisses mit bis in das Mittelalter zurückreichendender Geschichte einer Kulturlandschaft in der Pflicht.
Die maßgeblichen Vorgänge, die das Niederrheinische Tiefland gestaltet haben, lagen in den Ablagerungen des Inlandeises und der Rheinterrassenausbildung. Die in den Kaltzeiten des Pleistozäns durch den Rhein angeschütteten Schwemmfächer wurden im jüngeren Quartär (vor etwa 50.000 bis vor 10.000 Jahren) durch den Fluß ausgeräumt und dadurch eingetieft, was zur Bildung der heute erkennbaren Gliederung in Niederterrasse und Aue führte. Im Bereich des Hochwasserbettes entstanden nacheiszeitlich Hartholz- und Weichholzauewälder, Sümpfe und Röhrichte in abgeschnittenen älteren Mäanderbögen stellenweise auch Moorwälder.
Im Bereich der „Momm-Niederung“, einer altholozänen Rheinschlinge (Ruhr-Universität-Bochum, 1983), ist der Niederterrassen-Rand als 5 bis 7 m aus der Aue ragende Geländekante (Prallhang des ehemaligen Rheins mit geschwungenem Bogen) besonders landschaftsprägend ausgebildet (Ortslage Mehr). Im Zentrum des Bogens befindet sich 1-2 m aus der Aue herausragend die sogenannte „Inselterrasse“ mit einigen leicht erhöhten „Inselbergen“, die hochwasserfreie Ansätze zur Erstbesiedlung boten (Mehrum, Löhnen, Ork).
Das durch den Mommbachverlauf gekennzeichnete ehemalige Rheinbett wurde bei Hochwässern mit Sedimenten weitgehend wieder aufgefüllt. In der „Momm-Niederung“ nehmen somit die Hartholzauenstandorte einen besonders umfangreichen Raum ein.
Eine erste, nur zeitweise Besiedlung der Rheinaue setzte mit Beginn der Eisenzeit (ca. 800 v.Chr.) ein. Die kontinuierliche Besiedelung der Aue datiert man ungefähr auf 400 n.Chr. Zu dieser Zeit dürften die Dörfer Löhnen und Götterswickerhamm in ihren Anfängen entstanden sein. Etwa seit dem 10. Jahrhundert wurden die Auewälder großflächig gerodet. Eine Besiedlung der Hartholzauenstandorte war wegen der Hochwassergefahr vor Eindeichungen nur mit Hilfe von Warften (Löhnen als südlichstes Warftendorf am Rhein) möglich. So entstand bereits sehr früh die bäuerliche Kulturland-schaft “Momm-Niederung” in ihren Grundzügen.
Der Ortsname Löhnen (Lönne = Abzugsgraben), weist darauf hin, dass zur Kultivierung Entwässe-rungsarbeiten nötig waren. Durch die Lage in der Aue, die schweren Aueböden, die hohen Grundwasser-stände und die Hoch-wassergefahr war eine Ackerbau zunächst nicht möglich. Grünlandwirt-schaft mit starker Beweidung war vermutlich ausschlaggebend für die Verdrängung des Auewaldes. Die schwer bearbeitbaren, nassen Aueböden wurden in Schläge aufgeteilt und durch Heckenreihen, Baumreihen und Gräben abgegrenzt. Es entstand die „gekammerte historische Kulturlandschaft“ mit Viehweiden und Mähwiesen. Eine Änderung der Wirtschaftsweise setzte mit dem Beginn des Deichbaues ab etwa 1.400 n.Chr. ein.
Durch die Erhöhung der Fließgeschwindigkeit schnitt sich der Rhein immer tiefer ein. Auf den höher gelegenen Flächen der Aue wurde dadurch der Ackerbau zunehmend begünstigt. Im Jahre 1796 fand der vorläufig letzte große Deichbau statt, bei dem eine durchgehende Anlage errichtet wurde. Dieser wurde 1929 noch einmal erhöht (vgl. Eickelkamp, 1983).
Die “Momm-Niederung” ist heute eine mit vielen Biotopstrukturen angereicherte bäuerliche Kulturlandschaft. Zahlreiche Obstwiesen, Hecken mit Lerchensporn-säumen, Kopfeschen, vereinzelt Kopfeichen und Kopfweiden auf Hartholzauenstand-orten bestimmen das Landschaftsbild.
Etwas höher gelegene Flächen der ehemaligen Hartholzaue z.B. im Bereich um Wurm-Götterswick (zwischen Löhnen und Mehrum) werden überwiegend als Acker genutzt und prägen einen offenen Landschaftstyp aus.
In den Randbereichen der Ortschaften Löhnen, Mehrum und Götterswickerhamm wird das Landschaftsbild von lockerer Siedlungs-bebauung, umgeben von zahlreichen, noch gut erhaltenen Streuobst-wiesen mit alten, hochstämmigen Obstbäumen, Hecken und Kopfbäumen geprägt. Meist gut eingegrünte Hofstellen, perlenkettenartig aneinandergereiht auf dem immer hochwasserfreien Hochufer (Prallhang) im Norden zwischen Ork und Stockum, sowie einzeln auf den Warften besonders um Löhnen liegend, runden das Bild ab.
Die “Momm-Niederung” wurde gemäß § 20 und 21 LG NW als Naturschutzgebiet (NSG) bzw. Landschaftsschutzgebiet (LSG) festgesetzt, wobei dem Schutzziel “Erhalt und Entwicklung der landeskundlich wertvollen, für den Niederrhein typischen historischen Kulturlandschaft” (Landschaftsplan des Kreises Wesel, Raum Dinslaken/Voerde) zentrale Bedeutung zukommt. Das NSG “Momm-Niederung” mit einer Fläche von 609 ha nimmt alleine 11,4% der Fläche der Stadt Voerde ein.
Unter dem Aspekt der Regionalvermarktung ist die “Momm-Niederung” mit ihren ca. 7.000 alten hochstämmigen Obstbäumen wohl der bedeutendste Teilraum des Streuobstwiesenprogrammes in NRW und im Kreis Wesel. Diese herausragende Kulturlandschaft wird auch durch die ortsansässige Landwirtschaft bis heute weitgehend erhalten bzw. weiterentwickelt.
Wenn der Landwirtschaft in diesem Raum durch Flächenabsenkung Wirtschaftsflächen entzogen werden, bestünde für sie weder Notwendigkeit noch Möglichkeit die vorhandenen Landschaftselemente zu pflegen bzw. sogar neue Hecken oder Bäume anzupflanzen.
Als Folge der geplanten Geländeabsenkungen befürchten die Naturschutzverbände ferner einen zu schnellen Wechsel der Grundwasserflurabstände. Da es sich in der Momm-Niederung hauptsächlich um alten, stellenweise sogar überalterten Baumbestand handelt, besteht die Gefahr des unmittelbaren Absterbens bzw. gravierender Vitalitätsschwächung. Die bergbaubedingten Geländeabsenkungen rufen auch eine neue Geländeüberformung hervor, die nicht mit der von der Natur vorgegebenen Richtung übereinstimmen (Abbau und Senkungen quer zur ehemaligen Rheinfließrichtung). Sie werden die Grundlagen des Naturhaushaltes und besonders das Landschaftsbild in seiner überlieferten „Kammerung“ negativ und irreversibel verändern.
Als besonders negativ erweisen sich die auf großen Teilflächen geplanten, mit bis zu 6 m sehr starken Senkungsmulden. Hartholzauebereiche sinken teilweise in Weichholzauehöhen ab, Weichholzauestandorte kommen über nicht abgebauten Bereichen in relativ höhere Lage. Gleichzeitig verschieben sich Warftenhöhen in ihrer Höhenlage zueinander bzw. zu Höhenlagen in der überformten Aue. Dadurch verliert die “Momm-Niederung” ihr spezielles kulturhistorischen Beziehungsgeflecht, das aus der Morphologie nicht mehr erklärbar und erfahrbar sein wird. Der Bereich Mommbach-Bogen ist durch Kiesabbau, Hochspannungsleitung, Bahndamm, den Schacht Voerde, den bisherigen Steinkohleabbau und die Nähe zum Kraftwerk Voerde erheblich vorgeschädigt.
Eine weitere Schwächung des Gebietes würde sich gegen das vorherrschende öffentliche Interesse wenden, das dieses Gebiet seit Jahren in der überkommenen Form erhalten wissen möchte. All diese Gründe lassen die Verbände eine neue Geländeüberformung und Schwächung der Mommniederung ablehnen, da der Schutzzweck nicht mehr erfüllt und konterkariert werden würde.
Weitere Informationen zu diesem Gebiet erhalten Sie auf den Internetseiten der Biologischen Station im Kreis Wesel.