Boden ist Leben! Wir leben auf und von ihm. Und unter unseren Füßen wimmelt es von Lebewesen unterschiedlichster Form und Größe, die uns durch ihre Kleinheit und Lebensweise weitgehend verborgen bleiben.
Boden ist keine strukturlose Masse. Zwischen den Bodenteilchen bilden sich unterschiedlich große Hohlräume, die Poren. Sie sind mit Luft oder mit Wasser gefüllt und bieten den unvorstellbar vielen Bodenorganismen einen geeigneten Lebensraum.
Bei guter Bodenqualität können pro Quadratmeter bis zu 1,6 Billionen Bodenorganismen vorkommen, und zwar:
Fällt ein abgestorbenes Blatt zu Boden, dann machen sich unzählige Lebewesen über die "Abfälle" der Natur her. Sobald Regen und Frost, Bakterien und Pilze das tote Pflanzenmaterial aufgeweicht haben, sind größere Springschwänze und Hornmilben zur Stelle und beginnen, Löcher aus den Blättern herauszufressen. Mücken- und Fliegenlarven machen sich nun über die angefressenen Blätter her und vergrößern die Löcher. Typische Vertreter sind die Kohlschnake und die Märzfliege, eine fliegenartig wirkende Mücke.
Unter Laub, loser Rinde oder Steinen, vor Licht und Sonne versteckt, leben kleine Tiere aus der Verwandtschaft der Krebse, deren ursprünglicher Lebensraum das Wasser war. Es sind Landasseln (Rollassel, Mauerassel, Kellerassel), die mit ihren kräftigen Mundwerkzeugen das Blatt weiter zerlegen und beginnen, an den härteren Bestandteilen, wie den Blattadern, zu fressen. Auch Doppelfüßer, die zu den Tausendfüßern gehören und pro Körperring zwei Beinpaare haben, beteiligen sich an der weiteren Zerstückelung der Blätter.
Alle Tiere nehmen große Mengen an organischem Material auf und scheiden es als Kot wieder aus. Bei dieser ersten Darmpassage wird dem Material nur wenig Energie entzogen, denn die Tiere können das tote Pflanzenmaterial nur sehr schlecht ausnutzen. Ihr Kot enthält daher anverdaute, mit Darmenzymen vermischte Blattstückchen, die zusammen mit den angenagten Resten nun eine viel größere Oberfläche haben als das unzerstörte Blatt. Sie bieten nun Bakterien und Pilzen besonders gute Entwicklungsmöglichkeiten.
Eine besondere Rolle für Humusbildung und Bodenfruchtbarkeit spielen die Regenwürmer. "Den" Regenwurm gibt es aber nicht. Nach vorsichtigen Schätzungen soll es mehr als 3.000 verschiedene Arten geben, davon etwa 39 in Deutschland. Eine der bekanntesten ist der große Tauwurm mit seinem abgeplatteten Vorderende. Seine fast senkrecht verlaufenden Röhren können bis in drei Meter Tiefe reichen. Diese belüften den Boden, lassen Regenwasser rasch in untere Schichten abfließen und erleichtern Pflanzenwurzeln das Eindringen in tiefere Bodenschichten. Die Wände sind mit Schleim und Kot ausgekleidet, wodurch sie so stabil werden, dass sie oft jahrelang bestehen bleiben.
Während der Nacht zieht der Tauwurm Blätter in seine Röhre, klebt sie mit seinem Schleim fest und überzieht sie mit seinem Kot. Auf diese Weise bietet er vorverdauenden Mikroorganismen ideale Lebensbedingungen. Denn ehe der zahnlose Regenwurm die Blätter aufnehmen kann, müssen Bakterien und Pilze die Pflanzenteile für ihn aufschließen.
Regenwürmer graben und fressen sich durch den Boden. Dabei nehmen sie neben verrotteten Pflanzenteilen und Kot samt den darauf lebenden Mikroorganismen auch eine größere Menge an Mineralerde mit auf. Sie hilft ihnen, die Nahrungsbrocken im hartwandigen Magen zu zerreiben. Auch Regenwürmer sind schlechte Futterverwerter. Nur ein kleiner Teil des entstandenen "Speisebreis" wird im Darm mit Hilfe von Enzymen und Darmbakterien verdaut. Deren Stoffwechselprodukte verkitten den unverdauten Rest an organischen Stoffen mit den Bodenteilchen zu Erdkrümeln, den sog. Ton-Humus-Komplexen. Sie verlassen den Darm als weiche, klebrige Masse und werden als Häufchen an der Bodenoberfläche abgesetzt.
Regenwurmkot ist wertvoller als die beste Gartenerde. Er enthält alle Nährstoffe, die eine Pflanze für ihren Aufbau benötigt, in verfügbarer Form und hoher Konzentration. In den Ton-Humus-Komplexen sind kleinste mineralische Bodenteilchen, die Tonplättchen, sehr fest an Bestandteile des toten organischen Materials, des Humus, gebunden. Sie sind daher gegen den schnellen Abbau äußerst stabil. Außerdem sind sie in der Lage, Pflanzennährstoffe wie Natrium, Kalium, Calcium, Magnesium an sich zu binden und diese erst nach und nach den Pflanzen zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig tragen sie wesentlich dazu bei, dass der Boden eine krümelige Struktur mit vielen Poren erhält und gut belüftet wird.
Längst haben sich auch Bodenorganismen, wie kleinere Springschwänze, Hornmilben und kleine Enchyträen (weiße Ringelwürmer), eingefunden, die sich von den Zersetzungsprodukten der anderen ernähren. Sie verwerten die großen Mengen an kleinen und kleinsten Kotballen, die noch unvollständig verdautes Pflanzenmaterial enthalten. Bakterien und Pilze schließen es auf, die Tiere ernähren sich von den jetzt leichter zu verdauenden Blattsubstanzen und den Mikroorganismen. Diese werden dadurch aber nicht geschädigt, sondern zu ständig neuem Wachstum angeregt und erbringen dadurch hohe Abbauleistungen.
Bis ein einziges Blatt vollständig abgebaut ist, wird es mehrfach gefressen. Von dem, was der Eine verdaut hat, ernährt sich der Andere. Bodenlebewesen und Mikroorganismen, wie Bakterien und Pilze, stehen dabei in enger Wechselbeziehung miteinander. Diese sorgen letztendlich dafür, dass die restlichen pflanzlichen Strukturen des toten Blattes zu Huminstoffen umgebaut werden, die mit den Tonmineralen die schon bekannten Ton-Humus-Komplexe bilden. An sie sind Pflanzennährstoffe fest gebunden, die nach und nach durch die Mikroorganismen freigesetzt werden. Erst jetzt kann die Pflanze sie aufnehmen. Dieser Prozess wird "Mineralisierung" genannt.
Bakterien - sehr kleine, einzellige Organismen unterschiedlicher Form und Größe - leben in dem dünnen Wasserfilm, der die Bodenteilchen und Wurzelhaare umgibt. Vor allem in sauren Böden, wo Bakterien weniger verbreitet sind, übernehmen Pilze den Abbau der organischen Substanz. Auch sind es fast ausschließlich Pilze, die schwer zersetzbare Substanzen in verholzten Zellwänden von Pflanzen angreifen können. Was wir landläufig als "Pilz" bezeichnen, ist jedoch nur der oberirdisch wachsende Fruchtkörper des Pilzes. Der eigentliche Pilz, das Myzel, bildet ein feines, oft sehr dichtes Geflecht, das mehrere Meter lang werden kann und den Boden durchsetzt.
Von den Bakterien und Pilzen ernähren sich wiederum viele Bodentiere. Springschwänze und Hornmilben zum Beispiel "grasen" gezielt immer wieder Pilzgeflechte und Bakterienrasen ab. Hier - tiefer im Boden - sind es allerdings andere Arten als an der Bodenoberfläche. In den wassergefüllten Poren und im Wasserfilm, der die Bodenteilchen und Wurzeln umgibt, schwimmen unterschiedliche Bodentiere, deren Körper aus nur einer einzigen Zelle besteht. Diese Einzeller sind die ursprünglichsten und kleinsten Bodentiere. Mit ihren ca. ein- bis zweihundertstel Millimetern sind sie nur unter dem Mikroskop zu erkennen. Da auch sie sich vor allem von Bakterien ernähren, sind sie ebenfalls für die Erhaltung des biologischen Gleichgewichtes im Boden von großer Bedeutung. Typische Vertreter sind die Amöben, die ständig ihre Gestalt verändern, und die schnell herumsausenden Wimpern- und Pantoffeltierchen.
Während sich die Zersetzer über das Laub hermachen, droht ihnen ständig Gefahr: Auch ihre Fressfeinde leben im Laublabyrinth. Sie laufen und klettern flink in den Höhlen und Ritzen zwischen den Blättern auf der Suche nach Beute umher. Unter fast jedem größeren Stein oder dicken Baumstubben verstecken sich einige Steinkriecher. Mit ihrem abgeflachten Körper winden sie sich schnell durch die engen Gängen der Streuschicht. Insgesamt haben sie 30 Beine - an jedem Körperring ein Paar. Das erste Gliedmaßenpaar ist zu Beißzangen umgewandelt, die in einer Giftdrüse münden. Damit töten sie ihre Beute: Insekten, Spinnen und Milben.
Die "Renntiere" unter den Milben sind die flinken Raubmilben. Sie besitzen im Gegensatz zu den Hornmilben relativ lange Beine und einen eher schlanken Körper. Raubmilben leben von Fadenwürmern, Springschwänzen, Fliegenlarven - und von anderen Milben.
Die zwei bis vier Millimeter großen Moosskorpione können mit ihrem stark abgeplatteten Körper gut in Ritzen und Spalten des Erdreichs jagen. Wie fast alle Spinnentiere - Sie erkennen sie an den acht Beinen -, leben auch die Moosskorpione von anderen, kleineren Gliederfüßern, wie Springschwänzen, die sie mit ihren großen Scheren ergreifen. An der Scherenspitze münden Giftdrüsen, mit deren Hilfe sie die Opfer töten. Dann beißen sie ein Loch in die Körperhülle und saugen ihre Opfer aus.
Nur bei feuchtem Wetter kommt der flugunfähige Leder-Laufkäfer auch am Tag unter Holz, Steinen oder der Rinde alter Baumstümpfe hervor und macht Jagd auf Würmer, Schnecken und Insektenlarven. Er packt seine Beute mit seinen mächtigen Kiefern, verflüssigt sie mit Verdauungssäften, die er darüberträufelt, und saugt sie auf. Auch seine Larven leben räuberisch. Der größte heimische Laufkäfer ist heute selten geworden.
Ein Feinschmecker, der neben unterschiedlichen "Krabbeltieren" vor allem Regenwürmer zu schätzen weiß, ist der Maulwurf. Er ist anatomisch hervorragend an seine unterirdische Lebensweise angepasst. Sein walzenartiger Körper ist von einem kurzen Fell ohne Strich bedeckt. Die nur wenige Millimeter großen Augen und die muschellosen Ohren sind im dichten Fell fast ganz verborgen. An der kleinen Schnauze sitzen feine Tasthaare. Seine Vorderfüße sind zu kleinen Grabschaufeln umgestaltet, und die Innenflächen sind nach außen gedreht. Die kleinen Hügel auf der Erdoberfläche entstehen aus dem Aushubmaterial der Gänge, Schlaf-, Nest- und Vorratskammern, die der Maulwurf im Untergrund gräbt. Mit dem Kopf beziehungsweise dem Rüssel schiebt er überschüssiges Erdmaterial nach oben und wirft den "Bauschutt" schließlich vor seine eigene Haustür. Als Wintervorrat werden vor allem Regenwürmer gefangen und deren Vorderende abgebissen, damit sie überleben, aber nicht fortkriechen können. Sie werden in einer kleinen "Vorratskammer" gesammelt. Auch Maulwürfe lockern, belüften und vermischen durch ihr Graben den Boden, bringen Mineralien an die Oberfläche und erleichtern das Versickern des Wassers in den Boden.
Gäbe es dieses "Müll-Recycling" der Bodenbewohner, die in Teamarbeit jedes heruntergefallene Blatt, jeden Kotkrümel, jeden abgestorbenen Stängel, jeden morschen Baum, jedes Aas zersetzen und zu neuen Pflanzennährstoffen verarbeiten, nicht, dann würde die Natur in einer meterhohen Abfallschicht ersticken. Gleichzeitig stünden die Elementarteilchen nicht als Pflanzennahrung zur Verfügung - der "Kreislauf des Lebens" käme zum Stillstand. Das Ergebnis des Verdauens und Zersetzens, Fressens und Gefressenwerdens, Wühlens und Grabens ist ein Zerfall der unterschiedlichen organischen Substanzen in ihre Einzelteile und deren Einarbeitung in den Boden. Hier stehen sie den Pflanzen wieder als Nährstoffe für Wachstum und Vermehrung zur Verfügung. Der Kreislauf hat sich geschlossen.
Der Lebensraum Boden ist jedoch stark gefährdet. Der Mensch greift auf unterschiedliche Weise ein:
Der Boden stellt auch in unseren Gärten einen unschätzbaren Lebensraum dar. Gartenbesitzer brauchen im Unterschied zu Landwirten keinen Ertrag zu erwirtschaften. Daher kann jeder mit einer naturnahen Gartengestaltung, Verzicht auf Versiegelung, bedarfsangemessener Düngung mit Kompost und Verzicht auf chemisch-synthetische Spritzmittel und Mineraldünger seinen Beitrag zum Bodenschutz leisten.