Als vor vier Jahren der Verein "Lebendiger Niederrhein e.V." nach mehrjähriger Vorbereitung damit begann, in Fortführung und Ergänzung des niederländischen Biber-Wiederansiedlungsprojektes auch im Kreis Wesel Elbebiber auszusetzen, stellten sich trotz einer Vielzahl befürwortender Stellungnahmen von Biber-Experten aus dem In- und Ausland viele Menschen die Frage:
"Sind die Gewässerlebensräume am Niederrhein in einer solchen Qualität vorhanden, dass sie dem Biber in dieser Kulturlandschaft ausreichend Platz zum Leben und Überleben zu bieten?
Aus Sicht des Biotop- und Artenschutzes ist der streng geschützte Biber dabei eine hervorragende Zielart, denn von seinem Wirken profitieren wiederum eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten. 4 Jahre nach den ersten Ansiedlungen am Diersfordter Waldsee und 2 Jahre nach Biberaussetzungen auf der Bislicher Insel soll nun ein erstes Fazit des Biberprojektes im Kreis Wesel gezogen werden.
Zur Stützung und als Ergänzung der Biber-Wiederansiedlungen im Bereich der Gelderse Poort in den Niederlanden wurden unter Einhaltung der IUCN-Kriterien zur Wiedereinbürgerung von Tierarten in den Jahren 2002 und 2004 insgesamt 4 Biberfamilien sowie 3 weitere Tiere durch den Verein "Lebendiger Niederrhein" im Kreis Wesel ausgesetzt. Bei allen Tieren handelte sich um Wildfänge der Unterart Castor fiber albicus.
Anschließend erfolgte durch den Projektträger ein intensives Monitoring, um u.a. die Raum- Habitat-Nutzung, Bestandsentwicklung und Ausbreitungstendenzen zu dokumentieren. Bei Bekanntwerden von Gefahren für den Biber oder sich anbahnender Konflikte sollten zudem geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Sowohl die Aussetzungsmethodik als auch das Monitoring haben sich rückblickend bestens bewährt.
Derzeit gibt es im Kreis Wesel ca. 26-29 Biber in maximal 8 Ansiedlungen. Insgesamt wurden bis Ende 2004 zwei Totfunde registriert. In einem Fall wurde ein Tier an einer Straße überfahren, in einem anderen Fall wurde ein Biber von Wachhunden totgebissen. Erfreulich ist, dass durch Reproduktion die Verluste kompensiert werden konnten.
2002 | 2003 | 2004 | |
Gesamtanzahl der Biber im Kreis Wesel | 11 | 12-13 | 26-29 |
Ausgesetzte Biber | 12 | 2 | 12 |
Reproduktion | - | 0-1 | 2-3 |
Biberreviere/ Biberansiedlungen gesamt | 2 | 4 | 8 |
Familienreviere/ Reviere von Biberpaaren | 2 | 3 | 6 |
Reviere von Einzelbibern | - | 1 | 2 |
Totfunde | 1 | 1 | 0 |
Insgesamt zeigt sich eine leichte Ausbreitungstendenz der Biber von den Auswilderungsorten an benachbart liegende Gewässer.
Als sinnvolle Artenschutzmaßnahme und zur Steuerung von Biber-Ansiedlungen an Abgrabungsgewässern haben sich Holzstöße aus Weidenstämmen im Bereich der Mittelwasserlinie herausgestellt. Im Rahmen des Bibermanagements wird angestrebt, in enger Kooperation mit Abgrabungsunternehmen und Aufsichtsbehörden zu überlegen, an welchen geeigneten Bereichen entsprechende Maßnahmen am Niederrhein umgesetzt werden können. Dies könnte z.B. im Rahmen der Eingriffsregelung bei Eingriffen in Natur und Landschaft erfolgen oder auch, um Biber an geeigneten Stellen im Rahmen von Besucher-Lenkungskonzepten gezielt für die naturinteressierte Bevölkerung erlebbar zu machen.
Ein besonderes Gefahrenpotenzial für Biber ist die Bekämpfung der Nutria mit Totschlagfallen. Hierbei werden durch die Nutriafänger beköderte Fallen am Gewässerufer aufgestellt, die für Biber - aber auch für Wassergeflügel und Kinderhände - eine erhebliche Gefahr darstellen. So hatte sich z.B. ein Rind, nachdem es im Naturschutzgebiet "Reeser Schanz" in eine Falle getreten war, so schwer verletzt, dass es getötet werden musste. Im Rahmen der Projektbegleitung konnte bisher erreicht werden, dass in sog. Bibergebieten der Totfang von Nutrias nicht mehr durchgeführt werden darf. Auch sind nun Fallen nach sog. Conibear-Bauart zur Bekämpfung von Bisam und Nutria nicht mehr zulässig.
Ausgehend von der Problematik des Einsatzes von Totschlagfallen stellt sich aber mehr und mehr die Frage, ob es nicht auch alternative Möglichkeiten der Bestandsregulierung von Bisam und Nutria gibt, z.B. durch eine Förderung des Fischotters als Fressfeind des Bisams und junger Nutrias.
Innerhalb der 4-jährigen Projektdauer sind im Kreis Wesel keine durch Biber verursachten Schäden aufgetreten. Lediglich im Randbereich eines Schlosses tauchte ein Problem auf, als ein Biber am Schlossgraben Wildaufwuchs / Weiden benagte. Einvernehmlich konnte mit den Schlossbesitzern hier eine Lösung erzielt werden, indem der Projektträger den Schlossbesitzern feinmaschigen Draht zur Verfügung stellte. Im Gegenzug erklärten sich die Schlossbesitzer bereit, die nach ihrer Auffassung schützenswerten Gehölze mit Drahtmanschetten zu versehen. Aus Sicht des Vereins Lebendiger Niederrhein e.V. ist dies ein gutes Beispiel dafür, wie im Rahmen des Bibermanagements mit ggf. auftretenden Problemen kooperativ umgegangen werden kann.
Die Ansiedlung von Elbebibern wurde vom Verein Lebendiger Niederrhein e.V. umfangreich begleitet. So wurden zahlreiche Biber-Exkursionen durchgeführt, Biber-Vorträge abgehalten, Biber-Ausstellungen im NaturForum Bislicher Insel und im Heimatmuseum Bislich gezeigt, Beiträge über das Biber-Projekt im Radio- und Fernsehprogramm des WDR ausgestrahlt, Publikationen in Fachzeitschriften über Biber und das Ansiedlungsprojekt veröffentlicht und das Biber-Projekt auf internationalen Artenschutztagungen und Biber-Fachkongressen vorgestellt. Darüber hinaus erfolgten Veranstaltungen über den Biber in zoologischen Gärten und es wurde eine Vielzahl von Gesprächen mit Vertretern öffentlicher Belange geführt. Aktuell befindet sich eine Bibertagung in Vorbereitung unter dem Motto: "Biber - grenzenlos faszinierend". Bei der Aussetzung der Biber auf der Bislicher Insel konnte Dank großzügiger Unterstützung des RVR sogar eine Video-Kamera in einen Biber-Auswilderungsbau installiert werden. Die faszinierenden Biber-Aufnahmen aus dem Bau sollen in Kürze im NaturForum Bislicher Insel gezeigt werden.
Nachdrücklich hat sich durch die Stützungsansiedlung von Elbebibern im Kreis Wesel bestätigt, dass sich mit dem Sympathieträger Biber die naturinteressierte Öffentlichkeit für den Schutz und die Entwicklung von Auelebensräumen begeistern lässt.
Biber erweisen sich mit ihren beeindruckenden Bauwerken und dem dadurch bedingten hohen Naturerlebniswert überall als ausgesprochene Attraktionen für naturinteressierte Naherholungssuchende. Gleichzeitig leisten Biber einen unschätzbaren Beitrag zur Verbesserung der ökologischen Funktionserfüllung von Auelebensräumen im Sinne der europäischen Wasserrahmenrichtlinie.
Zukünftige Aufgabe des Bibermanagements wird es sein, die Gefahren für Biber in der Kulturlandschaft weiter zu verringern und unterstützend dazu beizutragen, ein konfliktarmes Miteinander von Biber und Mensch zu ermöglichen. Ziel und Philosophie des Vereins Lebendiger Niederrhein e.V. ist es dabei, unter strenger Beachtung der Störempfindlichkeit des Naturraums und seiner Tier- und Pflanzenarten den naturinteressierten Menschen den Biber als eine unserer faszinierendsten Tierarten näher zu bringen.
Der Verein Lebendiger Niederrhein e.V. bedankt sich nachdrücklich bei allen Personen und Institutionen, die in vielfältiger Art und Weise zum Gelingen der Ansiedlung von Elbebibern beigetragen haben.
Weitere Infos gibt’s im Internet unter www.lebendiger-niederrhein.de.